Entwicklung innovativer Ansätze zur Kopplung der Systemdienstleistungen von nachhaltigem Hoch- und Niedrigwasserschutz, Trinkwasserressourcensicherung und Energiewasserspeicherung
Projekt-Meilenstein zur Identifikation potenziell geeigneter Standorte als Möglichkeitsraum für eine spätere Realisierung
Das Projekt „Energie- und Wasserspeicher Harz“ wird innerhalb der Richtlinie Innovation durch Hochschulen und Forschungseinrichtungen im Bereich Innovationsverbünde mit dem Spezialisierungsfeld Energiewirtschaft im Zeitraum Juli 2019 bis Juni 2022 durch EFRE-Fördermittel gefördert. Ziel des Projektes ist die Erforschung eines Möglichkeitsraumes für Lösungsvarianten, um den Auswirkungen des Klimawandels im Harz und den sich daraus ergebenden unerwünschten Ereignissen, wie sie z.B. in den Jahren 2017 und 2018 aufgetreten sind, entgegenzuwirken. Erst traf die Region ein 1000-jährliches Hochwasser; kurz darauf folgte eine langanhaltende Dürreperiode mit Rekordminuswerten beim Niederschlag und infolge dessen die Knappheit bei der Trinkwasserbereitstellung. Die Untersuchung soll Lösungen aufzeigen, wie sich der Harz mit seinen multifunktionalen Aufgaben im Bereich der Wasserwirtschaft und zukünftig auch das regionale Energiesystem an den Klimawandel anpassen kann.
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Durchgeführt wird das Projekt von der TU Clausthal in Zusammenarbeit mit der TU Braunschweig und der Ostfalia Hochschule für angewandte Wissenschaften mit den folgenden Einrichtungen:
- TU Clausthal:
o Institut für Elektrische Energietechnik und Energiesysteme (IEE), Prof. Beck
o Institut für Wirtschaftswissenschaft (IfW), Prof. Menges
o Institut für Bergbau (IBB), Prof. Langefeld
o Clausthaler Umwelttechnik Forschungszentrum (CUTEC), Dr. zum Hingst - TU Braunschweig:
o Leichtweiß-Institut für Wasserbau (LWI) mit der Abteilung Hydrologie, Wasserwirtschaft und Gewässerschutz, Prof. Meon - Ostfalia:
o Fakultät für Bau-Wasser-Boden, Institut für nachhaltige Bewässerung und Wasserwirtschaft im ländlichen Raum, Prof. Röttcher
Die Forschung wird dabei von den Kooperationspartnern Harzwasserwerke GmbH und Harz Energie GmbH & Co. KG sowie einem Praxisbeirat, bestehend aus Vertretern der betroffenen Kommunen und Experten von Landesbehörden, unterstützt. Im Zeitraum von drei Jahren, beginnend im Juli 2019, wurden Maßnahmen für den Westharz in aufeinanderfolgenden Arbeitsschritten im Hinblick auf das angestrebte Ziel erarbeitet. Dabei wurden u.a. anhand von meteorologische Klimaszenarien der Vergangenheit und Zukunft verwendet, um das Systemverhalten für den Zeitraum von 2000-2050 mit dem Ziel abzuleiten, daraus mögliche technologische Lösungsmöglichkeiten mit sozio- und ökonomischen Maßstäben zu bewerten.
Durch den jahrhundertelangen Bergbau existieren im Harz eine Vielzahl von über- und untertägigen Bauwerken, die zum Beispiel das bestehende Talsperrensystem erweitern könnten, damit einerseits mehr Trinkwasser bereitgestellt und andererseits die entstehenden zusätzlichen Stauvolumen als Pufferspeicher für die Systemdienstleistungen im Verbund für Hochwasserschutz, Niedrigwasserabgabe und Energiewassergewinnung zu nutzen. In Ansätzen wurde die diesbezügliche Infrastruktur im Zuge der extremen Trockenheit im vergangenen Jahr schon von den Harzwasserwerken eingesetzt, um mit dem vernetzten System aus den Teichen und Gräben der Oberharzer Wasserwirtschaft, die Wasserwirtschaft den veränderten Klimabedingungen anzupassen. Neben der Entwicklung von bereits existierenden Anlagen thematisiert das Forschungsprojekt auch mögliche Neubauten und Erweiterungen von Talsperren und deren wasserwirtschaftliche Vernetzung. Im Fokus steht dabei die Systemintegration von Energie- und Wasseranwendungen im Westharz zur Bereitstellung der Systemdienstleistungen.
Kern des Projektes ist die Entwicklung einer auf andere mögliche Standorte übertragbare Methodik zur Erbringung der genannten Systemdienstleistungen:
- Hochwasserschutz
- Niedrigwasserabgabe
- Trinkwassergewinnung
- Bereitstellung von Energiespeicherwasser zur Kurzzeitstabilisierung des elektrischen Netzes als Teil des regionalen nachhaltigen Energiesystems
Zur Lösung dieser Forschungsfragen wurden zunächst potenziell geeignete Standorte ausgehend vom bestehenden System identifiziert, für die dann später bauliche Planungsvarianten und Betriebsstrategien entwickelt werden sollen, die den Möglichkeitsraum für geeignete Maßnahmen bilden. Die Lösungsmöglichkeiten wurden in einer mit Vergangenheitsdaten kalibrierten Simulation analysiert. Sie soll im zweiten Teil des Projektes einer sozio- und regionalökonomischen Bewertung zugeführt werden. Auf Basis dieser Bewertung entstehen Ertüchtigungsvorgaben für die baulichen Planungsvarianten und Betriebsstrategien, die festgelegten Bewertungskriterien genügen müssen.
Bis zum jetzt erreichten ersten Meilenstein des Projektes wurden dazu repräsentative Standorte im Westharz identifiziert, die den erwähnten Möglichkeitsraum für die anstehende Vertiefung der Maßnahmen zulassen. Dabei stand und steht der Systemgedanke im Hinblick auf das Zusammenwirken verschiedener Standorte/Maßnahmen in Bezug auf die verschiedenen Systemdienstleistungen im Vordergrund. Eine exakte Ermittlung sämtlicher maximal möglicher Potenziale im Harz ist dabei aus Zeitgründen nicht möglich und daher auch nicht Ziel dieses Projektes. Falls sie zukünftig gewünscht werden würden, könnte nach der entwickelten Methode ein Folgeprojekt z.B. unter Einbeziehung des Ostharzes aufgesetzt werden.
Bei der Auswahl der Standorte des definierten Möglichkeitsraumes stand neben der Verfügbarkeit von Daten aus vorangegangenen Betrachtungen und der bestehenden Infrastruktur das Bündelungsgebot im Vordergrund. Eine ähnliche Vorgehensweise erfolgt üblicherweise bei der Errichtung von Trassen zur Energieübertragung (z.B. Südlink). Daher wurden insbesondere Standorte ausgewählt, an denen bereits eine entsprechende (wasserwirtschaftliche) Infrastruktur vorhanden ist. Ziel ist somit eine Minimierung der entstehenden Umweltbelastungen. Dabei sind auch Standorte enthalten, die in der Öffentlichkeit teilweise kritisch gesehen werden, ein Denkverbot haben sich die WissenschaftlerInnen jedoch nicht auferlegt, obwohl ihnen die Sensitivität dieser Thematik durchaus bewusst ist. Der Betrachtungsraum des Projektes umfasst ausgehend von diesen Randbedingungen folgende Standorte bzw. Regionen:
- Okertalsperre – Huneberg (HW-Schutz, Niedrigwasserabgabe, Trinkwassernutzung, Energiespeicherwasser mit Unterbecken Okertalsperre)
- Odertalsperre – Stöberhai (Trinkwassernutzung mit neuem Oberbecken für die Energiespeicherwasserspeicherung)
- Wassernutzung im Siebertal (zwei Becken und Energiespeicherwasserspeicherung mit Oberbecken)
- Wassernutzung des Innerstentales (Überleitung von Wasser zur Grane zum Hochwasserschutz und zur Trinkwassergewinnung sowie Energiespeicher-wasserbereitstellung mit untertägigen Becken an bestehender Innerstalsperre)
- Granetalsperre (Staudammerhöhung für Hochwasserschutz und Niedrigwasserabgabe)
- Herzberger Teich (Hochwasserschutz über den Oker-Grane-Stollen)
Aus den bisherigen Analysen dieses Möglichkeitsraumes ergeben sich Größenordnungen für das zusätzlich hebbare Speichervolumen des Westharzes von etwa 90 Mio. m3 und eine maximal installierbare elektrische Leistung von Pumpspeicherkraftwerkanlagen von ca. 1.000 MW. Dieses zusätzliche Speichervolumen könnte zu einer zusätzlichen Trinkwassergewinnung in der Größenordnung von 35 Mio. m3 pro Jahr führen. Es handelt sich dabei um eine Größenordnung, die bei einer vollständigen Realisierung sämtlicher Maßnahmen (über- und unter Tage) an den Standorten technisch möglich erscheint. Es ist insoweit eine theoretische Größe, die ohne Berücksichtigung der konkreten Anlagentechnik und der Kosten zum jetzigen Zeitpunkt genannt wird. Die Aussage welcher Anteil dieses technischen Potenzials vor dem Hintergrund der Fragestellungen des Projektes sinnvollerweise nutzbar gemacht werden sollte, bleibt den folgenden konkreten Standortanalysen im Projekt vorbehalten. Insbesondere ergeben sich durch die Konkretisierung einzelner Maßnahmen mit präzisierenden Bewertungskenngrößen Vergleiche mit einer Priorisierung der aufgeführten Maßnahmen aus wissenschaftlicher Sicht.
Als nächste Schritte erfolgen dazu die detaillierte Betrachtung der Standorte etwa in Hinblick auf gebirgsmechanische Eigenschaften oder die exemplarische Auslegung elektrischer Anlagen sowie die kalibrierte Simulation der Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft des Gesamtsystems. Diese dient zur systemtechnischen Analyse der angestrebten (teilweise) konkurrierenden Nutzungen der Einzelmaßnahmen für den Hochwasserschutz, die Niedrigwasserabgabe und Trinkwasserbereitstellung sowie die Energiespeicherwasserbereitstellung. Darauf aufbauend wird infolge die Bewertung und Priorisierung der verschiedenen Maßnahmen durch die Projektbeteiligten vorgenommen.
Dieses vorliegende Elaborat soll den Projektstand für Politik, Auftraggeber und Öffentlichkeit darlegen. Es wird darüber hinaus erwartet, dass dadurch eine zielführende öffentliche Debatte gestartet wird, die die abschließende qualifizierte und priorisierte Einzelmaßnahmenbildung mit ihrer Einbettung in ein Gesamtsystem zur Klimawandel resistenten Erbringung von Systemdienstleistung für die Daseinsvorsorge in der Region befördert
Für die Projektleitung
Prof. Dr.-Ing. Hans-Peter Beck, Dr.-Ing. Jens zum Hingst