Moorgipfel Gnarrenburg

18.6.24 Moorgipfel in Gnarrenburg

In und mit der Gemeinde Gnarrenburg sind einige innovative Projekte geplant, die einen wichtigen Beitrag zur Wiedervernässung der Moore leisten werden. Einige Landwirte haben sich bereits zusammengefunden um diese Projekte zu unterstützen und sind bereit die benötigten Flächen dafür abzugeben. Da es sich hier weitgehend um Neuland handelt, gibt es noch viele offene Fragen zur Finanzierung und zu Umsetzung, die in einem Treffen am 18.6 in der Gemeinde besprochen worden. Dr. Bettina Hoffmann, BMUV Parlamentarische Staatssekretärin, Dr. Karin Beckmann, Landesbeauftragte und Chefin vom ArL, Carsten Brauns, Niedersächsische Staatskanzlei und Sonja Papenfuß, MU Leitung Abteilung Natur- und Artenschutz und weitere Mitarbeiter ihrer Abteilung folgten der Einladung der Gemeinde. Die Gemeinde Gnarrenburg wurde durch den Bürgermeister Marc Breitenfeld und die Klimaschutzmanagerin Simone Kasnitz vertreten. Außerdem waren die örtlichen Landwirte Reiner Finken, Sven Kück, Andreas Rathjens und Johann Steffens dabei. Als wissenschaftliche Partner waren Dr. Franziska Tanneberger (Greifswald Moor Centrum), Dr. Bärbel Tiemeyer (Thünen Institut) und Prof. Dr. -Ing.  Klaus Röttcher (Ostfalia Hochschule) vertreten. Das Startup „Zukunft Moor“ wurde von Paul Waldersee vertreten.

Geplant sind mit aktiver Beteiligung der Gemeinde das Projekt NassMoor zur Ermittlung wichtiger hydrologischer Parameter für die Moorvernässung und das Projekt MorePV zur Erprobung von Agri-Photovoltaik auf vernässten Moorböden. „Zukunft Moor“ möchte in Gnarrenburg die Möglichkeiten von Paludikultur erproben, dabei geht es um einen wirtschaftlichen Anbau von Torfmoosen für verschiedene Nutzungen wie Torfersatz, Verpackungs- und Dämmmaterial sowie weitere Anwendungen. Da bei all diesen Aktivitäten bisher nur wenige Erfahrungen zu den Umweltwirkungen solcher Maßnahmen vorliegen, ist es bei der Genehmigung der erforderlichen Eingriffe schwer diese abzuschätzen. Hier wurden verschiedene Optionen im Rahmen einer Erprobung diskutiert.

Im Anschluss an die Sitzung im Rathaus wurden noch Flächen im Gnarrenburger Moor besichtigt.

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Hintergrund:

Ein Großteil der Moorflächen in Deutschland sind entwässert und einer anderen Nutzung (land- oder Forstwirtschaft) zugeführt. Einhergehend mit der Entwässerung setzte die Degradierung der Moorkörper und damit die Emission von Treibhausgasen begonnen. Für das Bundesland Niedersachsen entspricht der Anteil an Treibhausgasemissionen 12,3 Mio. t. CO2 -Äquivalente pro Jahr, da rund 8 % der Landesfläche (395.000 ha) von Mooren und Moorflächen bedeckt sind, welche teilweise entwässert und anders nutzbar gemacht worden sind. Anteilig entspricht dies 12 % der Gesamtemissionen Niedersachsens (siehe MU, 2017: 9). Im Jahr 2021 gelangten durch die landwirtschaftliche Bewirtschaftung kohlenstoffreicher Böden 14,3 t CO2-Äquivalente in die Atmosphäre (Landwirtschaftskammer Niedersachsen 2023, S. 27) . Daher dient die Verminderung der Treibhausgasemissionen aus Mooren dem Klimaschutz und dem Erreichen der Klimaschutzziele des Landes Niedersachsen.

Durch eine möglichst weitgehende, langfristige Wiedervernässung können der CO2 -Ausstoß wirksam reduziert und degradierte Moorflächen wieder zu CO2 -Senken umgewandelt werden. Zusätzlich entstehen auf den wiedervernässten Flächen Habitate für gefährdete und an das feuchte sowie saure Milieu angepasste Flora und Fauna. Allerdings ist bei der Wiedervernässung von Hochmoorflächen zu beachten, dass dies nur mit Niederschlagswasser möglich ist, da andernfalls der Hochmoorcharakter verloren geht.

Durch das veränderte Höhenrelief abgetorfter Hochmoore, sowie den angelegten Gräben kommt es auch zu einer stärkeren horizontalen Wasserbewegung. Dieser Aspekt ist bisher bei aufgestellten Wasserbilanzen oft nur unzureichend berücksichtigt worden, da diese Größen schwierig zu erfassen sind. Um die aus Klimaschutzgründen gewünschte, möglichst ganzjährige Vollvernässung mit geringem Wasserüberstau zu erreichen, ist eine großflächige Planierung und ggf. eine Terrassierung der Landschaft nötig. Die Terrassierung wird nötig, um die zu bewegenden Bodenmassen zu reduzieren und einen Ein- und Überstau der Fläche zu ermöglichen.

Um Wasserdefizite im Sommer auszugleichen, sollten die Winterniederschläge auf den Flächen gespeichert werden. Dazu müssen, um die zu vernässenden Flächen Verwallungen angelegt werden. Im Winter könnten dann die flächig vernässten Hochmoore optisch eher an asiatische Reisfelder, als an natürliche Hochmoorstandorte erinnern. Hier gilt es also hinsichtlich der Gestaltung der wiedervernässten Flächen einen Kompromiss zwischen den Anforderungen des Klimaschutzes, des Naturschutzes und dem Erhalt der Kulturlandschaft zu finden. Gleichzeitig müssen auch die wasserwirtschaftlichen Anforderungen erfüllt werden, um den gewünschten Nutzen in den anderen Bereichen sicherzustellen. Alternativ zum Überstau könnten Speicherseen angelegt werden, aus denen dann eine Vernässung erfolgen kann. In jedem Fall wird eine neue künstliche Landschaft entstehen, die hinsichtlich des Wassers dauerhaft vom Menschen zu managen ist.

Wie erläutert sind zahlreiche Problempunkte bezüglich des Klimawandels und des Renaturierungserfolges in niedersächsischen Hochmoorstandorten erkannt worden. Die wasserwirtschaftlichen Folgen einer angestrebten Moorvernässung, unter Berücksichtigung dieser klimatischen Veränderungen, sind bisher jedoch nur unzureichend untersucht. So sind weder die Intensität und Dauer der Trockenphasen, im Sommerhalbjahr noch des Überstaus im Winterhalbjahr hinreichend betrachtet worden. In der Nationalen Moorschutzstrategie wird dieser Themenkomplex als Bereich mit Forschungsbedarf identifiziert (siehe BMUV, 2022: 42).

Literaturquellen zum Wasserhaushalt in Hochmooren, insbesondere Verdunstungswerte von Hochmoorflächen (in verschiedenen Vernässungsstadien), sowie Prognosen bezüglich der Durchführbarkeit langfristiger Vernässungen unter Berücksichtigung des Klimawandels, die nicht älter als fünf Jahre sind und für Mitteleuropa, speziell Niedersachen Anwendung finden können, liegen aktuell nicht vor. Eine weitere Fragestellung die bisher kaum Beachtung findet ist der Einsatz von ergänzenden Bauwerken für die Zusatzwasserspeicherung (Speicherbecken) neben den gängigen Methoden der Vernässung (wie zum Beispiel Verwallungen).

Blankenburg, J., & Hofer, B. (2022). Renaturierung industrieller Torfabbauflächen. In M. Graf, H. Höper, & K. Hauch-Bramsiepe (Eds.), Handlungsempfehlungen zur Renaturierung von Hochmooren In Niedersachsen (Vol. 45). Hannover: Landesamt für Bergbau, Energie und Geologie.

Perspektiven für wiedervernässte Hochmoorstandorte

Für wiedervernässte Hochmoorstandorte gibt es im Prinzip vier Nutzungsstrategien:

  • Vollständige Renaturierung und Aufgabe aller anderen Nutzungen
  • Vernässung soweit, dass eine angepasste landwirtschaftliche Nutzung möglich ist z.B. als (extensives) Grünland
  • Vernässung und Nutzung der Flächen für unterschiedliche Formen der Photovoltaik
  • Vernässung der Flächen und Nutzung der Flächen für Paludikultur

Einige Nutzungsstrategien können auch teilweise kombiniert werden. Insgesamt gilt jedoch, dass zu wenig Erfahrungen hinsichtlich solcher Umsetzung vorliegen. Die fehlende Erfahrung führt dazu, dass es schwer ist für Projekte zur Erprobung der Umsetzbarkeit und zum Monitoring der Umweltwirkungen die entsprechenden Genehmigungen zu erhalten.

Um genügend Wasser für die Moorvernässung, insbesondere in Hochmooren, bereit zustellen ist es notwendig den Wasserhaushalt von der alten Strategie „Entwässern und Ableiten“ zu „Zurückhalten und Speichern“ umzustellen. Dazu wird es erforderlich werden ehemalige Moorflächen großflächig umzugestalten (Planieren, Terrassieren und Verwallen) und die Gräben mit Stauen zu versehen. Beides steht im Gegensatz zu Anforderungen des Naturschutzes. Kompromisse waren hier bisher nur schwer zu finden, befürchtete negative Auswirkungen beruhen oft auf Vermutungen, da Umsetzungen, in einem größeren Maßstab, fehlen. Auch die Frage wie stark Nutzungen auf den Flächen eingeschränkt sind und welche zusätzlichen Anforderungen sich für Betreiber, z.B. von Photovoltaik oder Paludikultur, ergeben ist unklar. Auch die Auswirkungen auf die Hochwasser- und Dürrerisiken im weiteren Verlauf der Gewässer sind unklar.

Nathalie Kockemüller, Dominic Meinardi und Klaus Röttcher

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